Bürger sollen für Internetausbau zahlen

Eine Wende beim Ausbau schneller Online-Anschlüsse bahnt sich in NRW an: Vorfahrt für Firmen, Glasfaser ersetzt DSL, Baukosten können umgelegt werden – so Vorschläge eines Landes-Gutachtens. Die Opposition ist skeptisch.

VON REINHARD KOWALEWSKY

Düsseldorf In Beisein von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hat die landeseigene NRW.Bank gestern ein Gutachten zum Ausbau des Internets in NRW vorgestellt. Dabei zeichneten sich drei wichtige Weichenstellungen ab:

Duin will so schnell wie möglich alle Gewerbegebiete in NRW mit Internetanschlüssen mit einem Tempo von mindestens 50 Megabit/Sekunde versorgen, also sogenannten Breitbandanschlüssen. Mit Hilfe der künftigen Fördermittel des Bundes, der EU und teilweise auch des Landes für den Ausbau schneller Internetanschlüsse will er rund 500 Millionen Euro dafür mobilisieren, dass alle der 3000 Gewebegebiete in NRW zügig Glasfaseranschlüsse oder sehr schnelle DSL-Verbindungen erhalten. Duin: „Weil Gewerbegebiete häufig abseits der Innenstädte liegen, hat nur jedes zehnte von ihnen sehr schnelle Internetanschlüsse. Damit die Arbeitsplätze zukunftsfähig werden, brauchen wir aber für alle diese Gebiete ein entsprechendes Angebot.“

Das Gutachten der Beratungsfirma Micus schlägt vor, viel konsequenter als bisher Haushalte und Unternehmen direkt mit Glasfaser zu versorgen, anstatt in der Breite vorrangig auf die Aufrüstung des DSL-Netzes der Telekom zu vertrauen. „Glasfaser bringt bis zu 1000 Megabit mit einem extrem schnellen Reaktionstempo. Das wird DSL niemals einholen“, sagte Studienleiter Martin Fornefeld. Wirtschaftsminister Duin stimmte ihm zu.

Dabei regt die Untersuchung an, in praktisch allen städtischen Gebieten, in denen es keine superschnellen Kabel-TV-Anschlüsse gibt, Glasfaser direkt ans Haus zu legen. Das würde 3,2 Milliarden Euro kosten, wogegen es 8,6 Milliarden Euro verschlingen würde, wenn man auch noch Glasfaser dahin legt, wo Kabel-TV bereits liegt. „Doppelungen bei exzellenter Versorgung sind sinnlos“, erklärt Fornefeld.

Die spannendste Frage ist, wie die Investitionen bezahlt werden sollen. Die NRW.Bank und der Landeswirtschaftsminister sagen, dass die vorhandenen und bereits absehbaren Förderprogramme reichen könnten, um die Ausbauten da zu unterstützen, wo sie sich nicht sowieso rechnen. So wird NRW 21 Prozent der Gelder erhalten, die dem Bund aus der Versteigerung neuer Mobilfunkfrequenzen zukommen.

Gleichzeitig wird vorgeschlagen, dass privates und öffentliches Kapital mobilisiert werden soll. So will die NRW.Bank Kommunen und Investoren mit ihren Förderprogrammen per Kredit mehr stützen, sagt ihr Vorstand Dietrich Suhrlie.

Die Studie regt an, dass die Bürger „Erschließungsabgaben“ für schnelle Online-Anschlüsse zahlen sollen. Vom Grundsatz her richtig, findet das Matthi Bolte, Netzpolitiker der Grünen im Landtag. Aber es sei unsicher, ob man es als Teil der „Daseinvorsorge“ ansehen könne, wenn Glasfaser kommt. Hausbesitzer könnten also erfolgreich gegen Zwangsabgaben klagen, obwohl ihre Immobilie an Wert durch einen besseren Anschluss gewinnt.

Als weiteres Problem droht dem Land, dass die Telekom die Modernisierung ihres DSL-Netzes stoppt, wenn es sowieso bald durch Glasfaser ersetzt wird. „Das ist eine reale Gefahr“, warnt CDU-Experte Hendrik Wüst. Gekontert werden könne dieses Risiko nur, wenn das Land deutlich mehr eigene Mittel für den Breitbandausbau anbietet.

RP 20150505 Bürger sollen für Internetausbau zahlen

Publikation Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH
Lokalausgabe Neuss-Grevenbroicher Zeitung Grevenbroich
Erscheinungstag Dienstag, den 05. Mai 2015
Seite 9
Anmerkung:
Aus unserer Sicht ist dem Artikel folgendes zu entnehmen:
- Der Bedarf an schnellen Netzwerken ist unumstritten, und Glasfaser ist das Medium der Wahl.
- Die Finanzierung ist alles andere als sicher, evtl. wird es Töpfe geben, die es potenziellen Investoren erleichtern, abgelegene wirtschaftlich kaum rentable Gebiete zu erschließen.
- Die Deutsche Glasfaser GmbH ist Vorreiter und hat einen Weg gefunden, die große Investition langfristig zu amortisieren, die monatlichen Gebühren aber dennoch auf einem marktgerechten Niveau zu halten. 
- Für Hemmerden können wir froh sein, als Dorf außerhalb des direkten Ballungsgebietes Vorreiter für die in Großstädten längst etablierte Technik zu sein - es wäre kaum zu verzeihen, wenn wir nicht zugreifen.